Warum Facebook gerade KEINEN Skandal erlebt, sondern business as usual betreibt

Facebook wird auch diesen Datenskandal überleben.

Katzen haben sieben Leben, sagt man landläufig. Demnach ist es durchaus legitim, Facebook mit einer Katze zu vergleichen. Wie oft wurde Facebook schon der Abstieg vorhergesagt, wie oft wurde das soziale Netzwerk schon totgeschrieben? Richtig, beides passiert in schöner Regelmäßigkeit – um einige Zeit später festzustellen: Weder erfreut sich Facebook geringerer Beliebtheit noch gerät es auch nur in die Nähe geschäftskritischer Bereiche.

Skandale gehören zu Facebook wie der Gefällt mir-Button

Vielleicht ist es sogar angemessen, Facebook als Mutter aller Katzen zu bezeichnen, die ihren Nachkommen die multiple Anzahl Leben überhaupt erst geschenkt hat, denn: Wie viele Skandale und Skandälchen hat Facebook schon überlebt? Und was ist passiert? Facebook kann die Zahl seiner Nutzer stetig weiter steigern. Selbst in Jahren, in denen Facebook mit Skandalen zu kämpfen hatte, gab es keine signifikanten Einbrüche der Nutzerzahlen. Genau genommen ist Facebook in seiner bekannten Form übrigens erst aus einem Skandal entstanden: Ursprünglich war es eine Plattform zur Bewertung des Aussehens von Studentinnen …

Ein Skandal? Mitnichten.

Handelt es sich diesmal also wirklich um einen Skandal oder ist die unerlaubte Weitergabe von Nutzerdaten (bzw. das Wissen darüber, dass Nutzerdaten unerlaubt abgegriffen werden) nur ein weiterer Meilenstein in der Firmenhistorie des Netzwerks? Momentan liegen Prognosen in unserem Blog hoch im Kurs, wie auch schon unser Beitrag zu den Online Marketing Trends 2018 zeigt. Und deshalb erlauben wir uns mal, eine Prognose abzugeben: Facebook wird auch diese Situation relativ unbeschadet überstehen. Genau genommen möchten wir in diesem Beitrag folgend auch gar nicht mehr von einem Skandal sprechen. Warum? Lesen Sie weiter.

Die Facebook-Währung

Schon auf der Startseite prangt es in großen Lettern: „Facebook ist und bleibt kostenlos.“ Fünf Wörter, die ausreichen, um bei vielen Usern den Kopf auszuschalten. Deshalb möchten wir es einmal ganz deutlich und unmissverständlich sagen: Nein, Facebook ist nicht kostenlos. Facebook stellt Infrastruktur, Verfügbarkeit und Dienste nicht aus Altruismus zur Verfügung, weil Herr Zuckerberg Menschen dabei unterstützen möchte, in Kontakt zu bleiben. Die Facebook-Währung heißt aber nun mal nicht Dollar, Euro oder Franken. Sie heißt Daten. Nutzerdaten von über 2 Milliarden Menschen. Und wer am System Facebook teilnehmen will, gibt seine Daten preis – das ist der Deal und das Prinzip Leistung für eine Gegenleistung gilt nun mal für jedes Wirtschaftssystem. Unabhängig davon, ob man drei Gänse gegen ein Schwein, 50.000 Euro gegen ein Auto oder eben persönliche Daten gegen ein Nutzungsrecht tauscht.

Im System Facebook sind Daten die Währung.

Passiert das nur bei Facebook?

Interessant ist, dass wir tagtäglich Google für unzählige Suchanfragen benutzen. Und dabei unsere privatesten Vorlieben für ein Facebook-ähnliches Unternehmen preisgeben. Da googeln wir munter nach Restaurants, die wir besuchen wollen, nach Kinofilmen, die wir sehen wollen, nach unseren Urlaubszielen oder nach unseren Krankheitssymptomen. Und – aufgepasst – geben dabei unsere Daten preis! Richtig gelesen: Auch Google ist nicht kostenlos, denn wer glaubt allen Ernstes, dass Google unsere Daten nicht trackt und diese im eigenen geschäftlichen Interesse weiter verwendet? Für Google gehörte es sogar lange Zeit zur Geschäftspraxis, einen unserer privatesten Kommunikationskanäle auszuspähen: Mails im hauseigenen Dienst Gmail wurden mitgelesen und ausgewertet, um uns Werbung anzeigen zu können, die für uns mit großer Wahrscheinlichkeit eine hohe Relevanz hat. Der einzige Unterschied: Google hat dieses Vorgehen etwas geschickter verpackt und eleganter kommuniziert als Facebook. Unter dem Strich bleibt aber: Auch Google gibt Nutzerdaten weiter.

Widerspruch gegen Datenmissbrauch möglich (kann Spuren von Ironie enthalten)

Jetzt ist es nur wieder eine Frage der Zeit, bis die ersten „Ich widerspreche der Verwendung meiner Daten …“-Posts erscheinen. Dieser Hoax, der sich seit Jahren hartnäckig hält, wird sicher bald sein Revival erleben. Und in der Facebook-Zentrale sitzt dann ein einsamer Student, der eine Excel-Tabelle aller Nutzer ausgedruckt vor sich liegen hat und ein Kreuz bei denjenigen macht, die der Nutzung ihrer Daten widersprechen.

Zusätzlich tauchen jetzt auch wieder Posts auf, die die Schließung ihres Accounts zum Datum xy ankündigen. Man munkelt, dass der einsame Student bei diesen Accounts einen roten Strich in der Liste macht. Und in der Chefetage von Facebook werden bereits erste Krisentreffen abgehalten, weil Lischen Müller ihren Account schließen will und zukünftig keine Katzenvideos mehr teilen wird.

Durch Datensammeln gegen Datensammeln protestieren

Die Welle der Empörung ist also nicht groß genug, um Facebook wirklich in Gefahr zu bringen oder um eine glaubwürdige Änderung der Geschäftspraktiken des Unternehmens erreichen zu können. Facebook ist zu sehr im Alltag der Nutzer verankert, als dass sich eine ausreichend große Menge an Nutzern dazu entschließen würde, dem Netzwerk den Rücken zu kehren und damit wirklich etwas verändern zu können. Die Revolution erstickt im Keim.

Dr. Oetker kündigte an, den Facebook-Account für 1000 Retweets zu löschen.

Bestes Beispiel dafür ist eine Aktion von Dr. Oetker, die die Causa Weitergabe von Nutzerdaten ad absurdum führt und allen Usern den Spiegel vorhalten müsste. Bei Twitter kündigen sie (schon ganz offensichtlich nicht ernst gemeint) an, für die „Währung“ von 1.000 Retweets den Facebook-Account zu löschen. Die Retweets sind schnell erreicht, das Konto bei Facebook gelöscht – oder zumindest für kurze Zeit deaktiviert. Um gut 24 Stunden später wieder online zu sein und ein wenig Social Buzz zu erhalten. Dabei wären es gerade Unternehmen wie Dr. Oetker mit 130.000 Fans auf Facebook und einem vermutlich nicht ganz geringen Betrag an Werbeausgaben, die zumindest einen gewissen Druck aufbauen könnten. Letztendlich ist die Facebook-Präsenz aber zu wichtig und der Skandal zu klein, als dass man auf den wichtigen Kommunikationskanal verzichten kann. Und schließlich würde man sich selbst der Daten berauben, die wiederum für die eigene Werbung wichtig sind. Womit wir wieder beim Prinzip des Wirtschaftssystems (s. o.) angekommen sind und den Kreis schließen. Und es wird Facebook weder beunruhigen noch wirklich interessieren, wenn Einzelne das Netzwerk verlassen – früher oder später kommen sie (oder ein anderer) wieder dazu.

Facebook an, Gehirn aus

Was jetzt folgen wird, ist ein bisschen Aktionismus, um die Wogen zu glätten. Facebook kündigt an, dass die Privatsphäre-Einstellungen vereinfacht werden sollen. Im Sinne der Datensicherheit ein lächerlicher Schritt. Heute befinden wir uns im „größten Datenskandal“ den Facebook je erlebt hat. Der nächste und noch größere Datenskandal wird folgen, das ist ganz sicher. Ebenso wird die nächste und übernächste Entschuldigung folgen – dabei ist es an Komik kaum zu übertreffen, dass ausgerechnet eins der weltweit einflussreichsten Digitalunternehmen Anzeigen in britischen und amerikanischen Tageszeitungen nutzt, um sich zu entschuldigen … wir haben es schon vor zwei Jahren gesagt: Print ist nicht tot!

Wer Dienste wie Facebook nutzt, ist zum Mitdenken verpflichtet.

Vielmehr ist es (mal wieder) an der Zeit, an den gesunden Menschenverstand der User zu appellieren. Wer bei jedem sinnlosen Psychotest unter sinnlosen Überschriften wie „Welches Einhorn wärst du?“ mitmacht und dort Massen seiner Daten (und gegebenenfalls auch die seiner Facebook-Freundschaften) preisgibt, hat keine Grundlage, sich jetzt zu beschweren. Wenn selbst einfachste Einstellungen, welche persönlichen Inhalte öffentlich und für jeden zugänglich zu sehen sind, vernachlässigt werden, ist es doch eher den Usern selbst als Facebook anzulasten, dass diese Daten missbraucht werden.

In diesem Sinne sollte das aktuell häufig verwendete Hashtag auch nicht #deletefacebook, sondern vielmehr #learnabouttheinternet heißen. Denn die Währung Daten ist überall im Internet gültig, nicht nur in den sozialen Medien oder bei Suchmaschinen.

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