Zeige mir dein Gesicht und ich sage dir, wer du bist. Wie soll das funktionieren? Wir können anderen bekanntlich ja nur vor den Kopf gucken. Es sei denn, eine intelligente Software ist am Werk – sie kann künftig hinter die Fassade schauen: Sind Gesichtserkennungsprogramme bald der Schlüssel zum Konsumenten? Mit ihnen lassen sich Kaufvorlieben scannen, Zahlungen tätigen oder die Anmeldung am Handy durchführen. Lösungen zur Gesichtserkennung stecken derzeit zwar noch in den Kinderschuhen und sind teilweise in Fachkreisen umstritten, dennoch befinden sich verschiedene Technologien, beispielsweise in der E-Commerce-Branche, bereits erfolgreich im Einsatz – Tendenz steigend. Inwiefern bezahlen wir bald mit unserem Lächeln?
Ermittlungsbehörden setzen bereits seit einigen Jahren Gesichtserkennungssysteme ein. Mit steigender Digitalisierung werden auch im kommerziellen Sektor zunehmend die Vorteile dieser Methodik deutlich. Begünstigend wirken hierbei die immer besseren Verfahren zur Mustererkennung, Handy-Kameras mit hoher Auflösung und vieles mehr. Insbesondere im Bereich E-Commerce und Datensicherung wird die Gesichtserkennung in den nächsten Jahren weiter an Bedeutung gewinnen.
Einige Beispiele aus der Praxis zeigen, wie Gesichtserkennung heute schon angewendet wird und welches Potenzial sie birgt.
Personalisierte Angebote für den Kunden: Produktsuche leicht gemacht
Ein großer Vorteil der Gesichtserkennung in der Shopping-Welt ist die Individualisierung von Angeboten. Das bedeutet, es lassen sich Angebote einfach auf den Konsumenten zugeschneiden. So verwendet beispielsweise die Glasses by Warby Parker-App für das neue iPhone X die Methode des Gesichts-Mapping, um dem Anwender bei der Suche nach einer geeigneten Brille behilflich zu sein. Im Zuge dessen wird die Infrarot-Frontkamera des Handys für eine Gesichtsanalyse des Nutzers angewendet und schlägt diesem im Anschluss passende Brillengestelle vor. Die Sensoren der Kamera untersuchen dabei die Gesichtsstruktur. Sie projizieren 30.000 Punkte auf das Gesicht und kartographieren es dreidimensional. So ergeben sich passende Brillengestelle und der Kunde fühlt sich kompetent und individuell beraten.
Marketingerkenntnisse: Geschlecht, Alter und Vorlieben der Kunden erkennen
Ebenso setzen Einzelhandelsunternehmen wie z.B. die Supermarkt-Kette Real auf die Gesichtserkennung, um ihre Kundenstrukturen zu analysieren und zu optimieren. So hat das Unternehmen kürzlich ein Pilot-Projekt gestartet, das es möglich machte, in 40 Real-Märkten die Gesichter der Kunden, die Werbeanzeigen auf einem Bildschirm anschauten, zu analysieren. Das Geschlecht und das Alter konnten somit bestimmt werden. Zusätzlich stellte das System fest, wie lange die Werbung angesehen wurde. So lassen sich wertvolle Marketingerkenntnisse ableiten, Zielgruppen genauer ansprechen und weitere Maßnahmen ableiten.
Komfort, Sicherheit und Schnelligkeit beim Bezahlen
12345 – keine Chance mehr für unsichere Passwörter: Zahlreiche Online-Shops und Payment-Anbieter planen bereits, die Gesichtserkennung für Bezahlvorgänge zu nutzen. So bietet beispielsweise der Kreditkartenanbieter Mastercard bereits biometrische Identifikations-Möglichkeiten. Flächendeckend soll der Service ab April 2019 umgesetzt werden. Auch der chinesische Onlineriese Alibaba setzt mit Alipay auf Gesichtserkennung. Aktuell können Nutzer in China das System „Smile to pay“ bereits testen. Von der Bezahlung nach dem Motto „Keep Smiling“ versprechen sich die Anbieter eine steigende Sicherheit bei Online-Zahlungen und schnellere Vorgänge und somit weniger Kaufabbrüche. Auch hier bleibt fraglich, ob der Gesichtsscan so präzise ist, dass Zwillinge oder sich stark ähnelnde Menschen unterschieden werden können. Alipay gibt an, dass selbst stark geschminkte Anwender oder Menschen mit Brille durch den 3D-Scan erkannt werden können.
Social Media: Gesichtserkennung für Fotos und Videos
Auch in den sozialen Netzwerken setzt sich der Trend derzeit durch. So hat Facebook aktuell die Gesichtserkennung ausgerollt. Mit Hilfe diese Technologie kann der Social Media-Konzern erkennen, ob ein Nutzer auf Videos oder Fotos zu sehen ist, ohne dass dieser zuvor markiert wurde. Dabei analysiert das Tools zunächst anhand anderer bereits bestehender Fotos die einzelnen Pixel. Mittels dieser Pixel erstellt Facebook eine Vorlage, mit der im Netzwerk hochgeladene Videos und Fotos abgeglichen werden. Im Zuge der neuen Datenschutzbestimmungen muss der Nutzer vorher der Aktivierung zustimmen.
Auch den Risiken ins Gesicht schauen
Es ergeben sich zahlreiche Anwendungsfelder, in denen die Gesichtserkennung Vorteile für den Anwender, den Staat und Unternehmen bringt. Doch der Fortschritt birgt auch Risiken, denn heute ist die Gesichtserkennung noch nicht soweit ausgereift, dass sie eine 100-prozentige Sicherheit darstellt. Viele Methoden befinden sich derzeit in den Kinderschuhen und rechtlich in der Grauzone. So reicht beispielsweise bei der Handy-Gesichtserkennung ein Foto aus, um das Gerät zu überlisten.
Neben dem Sicherheitsaspekt wird von Kritikern die erhöhte Transparenz und damit die Gefährdung der Privatsphäre ins Feld geführt. Der „gläserne Bürger“ bekommt plötzlich ein noch deutlicheres Gesicht.